Mein gewundener Weg zum Bienenglück

Bernd Kobr, Stadtimker, Nürnberg





Künstliche Räume

Es kommt mir vor, als wäre es eine Ewigkeit her. Mein Arbeitsplatz war ein künstlich beleuchteter Raum, in dem ich als Architekt u. a. Krankenhäuser, Schulen und sogar Kindergärten in "Raumzellenbauweise" plante. Der Gedanke daran, daß Kinder einen großen Teil ihres Tages in diesen nüchtern-zweckmäßigen Räumen aus künstlichen Materialien verbringen würden, drehte mir den Magen um. Da ich die Natur seit meiner Kindheit sehr liebe, sah ich so keinen Sinn in meiner Arbeit. Ich besuchte Fortbildungskurse über natürliches Bauen und Lehmbauseminare. Meine Hoffnung, in dieser Richtung der Architektur tätig sein zu können, erfüllte sich jedoch nicht - an manchen Biegungen des Weges war ich wohl nicht wirklich mutig ...

Danach sattelte ich um und wurde Webdesigner. Mir gefiel die kreative Seite daran und ich hatte meinen Frieden, zumindest keine Gebäude mehr in die Welt zu setzen, hinter denen ich nicht stehe.

Der Traum vom "einfachen Leben"

Als Stadtbewohner fehlte mir all diese Jahre die Natur. Ich hatte regelmäßig das Gefühl, ausbrechen zu müssen, um zu atmen. Bei langen Reisen an die Enden der Welt suchte und fand ich Freiheit und tiefe Naturerlebnisse.

Wieder zurück im Alltag empfand ich oft Leere, der Sinn meiner Arbeit bestand fast ausschließlich im Geld verdienen ... ich zählte die Monate, Wochen, Tage bis zur nächsten "Flucht", zur nächsten großen Reise. Ein weiser Mensch sagte mir damals: "you are wishing your life away". Allmählich wurde mir bewußt, daß ich nur auf Reisen richtig lebte.

Auf meinen Reisen begegnete ich Menschen, deren einfache, naturnahe Art zu leben mich berührte: einem sardischer Kleinbauer, der mich zu eigenem Schafskäse und Rotwein einlud; der Familie eines Fischers auf einer Insel im Süden Chiles, mit denen wir Muscheln und Kartoffeln ernteten; den Imkern in einem abgelegenen Regenwaldgebiet in Patagonien. Den Kontakt dieser Menschen zur Natur empfand ich bei aller Einfachheit ihres Lebens als beglückend. Ich träumte davon, eines Tages, irgendwo naturnäher zu leben und etwas zu tun, das mich erfüllt. Nur wußte ich nicht, wie dies in der Praxis aussehen sollte ...

Honig im Sinn

Zuhause begann ich, mit einem Freund den Regenwald-Honig aus Patagonien und nach und nach andere besondere Honige von kleinen Imkereien aus aller Welt über einen Webshop zu vertreiben. Es verband mich mit den Gegenden, wo sie geerntet wurden und mit der Welt der Imkerei, die ich bei meinem Großvater und Vater seit meiner Kindheit mit erlebt hatte. Ich stellte fest, daß ich ein wenig neidisch auf die Imker war... ich träumte davon, selbst auf dem Land Bienen zu halten. Da ich viele Aspekte des urbanen Lebens auch schätze, verschob ich das auf: irgendwann, irgendwo. Dann beanspruchte eine kräftezehrende Scheidung mit dem Ringen um unseren kleinen Sohn alle Energie. Meine Arbeit machte mich nicht zufrieden. In der Krise fragte ich mich, was ich eigentlich zu verlieren habe und wie lange ich meine Träume auf irgendwann, irgendwo verschieben will ...

Bienen in Paris und das "Klick"

Wieder war es ein Erlebnis auf einer diesmal kleinen Reise, das mich berührte. Mitten in Paris sah ich Bienenstöcke im Park Jardin du Luxembourg; ich entdeckte einen Laden für Stadtimker und hörte von einem Imker, der seine Bienen auf dem Dach der Pariser Oper stehen hatte. Natur, Tiere in der Stadt! Es machte "Klick" in mir und ich beschloß, das Imkern zu lernen. Nicht irgendwann, wenn ich vielleicht auf dem Land lebe, sondern hier wo ich lebe, in der Großstadt, mitten in Nürnberg. Ich werde Stadtimker - und zwar hier und jetzt. Ich wußte nicht genau, was kommt, ob ich mich mit den Bienen vertrage, ob es klappt - aber ich spürte tief im Inneren: das ist es, ich gehe das Wagnis ein, ich will nicht nur träumen, ich probiere es aus!

Im Rhythmus der Bienen

Der Anfang war schwer: ein abgeschwärmtes Bienenvolk, das schlechteste Honigjahr seit Jahrzehnten, von Bienenstichen zugeschwollene Augen, Anfängerfehler, Rätseln über die Komplexität des Bienenstaates ... aber ich hatte einen guten Imkerpaten und auch mein Vater stand mir mit Imkerrat und Tat zur Seite. Und ich lernte die Bienen als wunderbare Wesen kennen, die mein Leben bereichern. Jedes mal, wenn ich den Bienenstock öffne spüre ich den Sinn und das Glück, im Rhythums der Bienen naturnah zu leben. Mitten in der Stadt, hier wo ich lebe.

Meine Bienenstöcke stehen inzwischen auf dem Dach des Neuen Museums und auf der Insel eines jahrhundertealten Wasserschlosses mitten in Nürnberg. Schulklassen besuchen meine Bienenstöcke. Die ungewöhnlichen Standorte meiner Bienen erregen auch die Aufmerksamkeit der Medien: TV, Radio, überregionale Zeitungen. So kann ich auf die Situation der Bienen aufmerksam machen und für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die so wichtigen Insekten werben. Im Museum werden inzwischen Filmabende zum Thema "Bienen" veranstaltet ...
Hier ein kleiner Fernsehfilm über meine Museumsbienen: http://www.frankenfernsehen.tv/mediathek/video/bienenvoelker-auf-dem-neuen-museum/

Süßes STADTGOLD - mein Nürnberger Bienenhonig

Die Honigernte 2015 fiel sehr gut aus: Museumshonig, Wasserschloßhonig - jeder Ort schmeckt anders, nach den Pflanzen die hier wachsen. Ich beschloss, das flüssige Gold von den ungewöhnlichen urbanen Standorten meiner Bienen unter dem Label "STADTGOLD" anzubieten. Der Designshop des Neuen Museums und die besondere Bäckerei "Hilde's Backwut" beim Wasserschloss sind die ersten Verkaufsstellen, ein Hotel in der Innenstadt läßt ab März 2016 ein Volk von mir betreuen um den Gästen ihren eigenen Honig anzubieten. Diesen Winter bin ich mit meinem Stadthonig, reinen Bienenwachskerzen und - wenn ich die Rezeptur hinbekomme - Nürnberger Bartwichse aus Bienenwachs auf Weihnachtsmärkten in Nürnberg vertreten.

Imkern mit Kindern

Durch einen Artikel über meine Museumsbienen ergab sich der Kontakt zu einer Schule, an der ich inzwischen eine Imker-AG betreue und den Kindern die faszinierende Welt der Bienen näher bringe.

Der Einsatz ist auch körperlich manchmal hoch, aber ich bekomme viel zurück. Ich bin glücklich - auch über meinen Mut, meine Leidenschaft zu leben. Nicht nur den "sicheren" Weg zu gehen, sondern meinen Weg, den so noch niemand vorher gegangen ist. Ich tue das, was ich liebe und fühle mich frei und selbstbestimmt. Ein Teilzeitjob gibt mir neben der Zeit für meinen Sohn auch genug Raum, nebenbei meine Imkerei schrittweise auszubauen.

Meine nächsten Ziele

>> meine Marke "STADTGOLD - Nürnberger Bienenhonig" weiter etablieren - bald als Biohonig aus der Großstadt.
>> Bienen auf weiteren zauberhaften, ungewöhnlichen und bekannten Standorten in Nürnberg ansiedeln. Zusagen für die Meistersingerhalle und das Dokumentationszentrum habe ich bereits für März 2016.
>> lokale Unternehmen mit meinem Konzept "BienenPate" dafür gewinnen, einen Bienenstock zu mieten und mit der Begrünung ihrer Flachdächer Vegetationsinseln in der Stadt zu schaffen. So könnten - wie Beispiele aus Zürich, Hamburg und anderen Großstädten zeigen - Lebensraum und Nahrung für Honigbienen, andere Insekten und Vögel enstehen und zugleich das Klima in der Stadt positiv beeinflußt werden. Ein Besuch bei den Stadtimkern von bee urban in Stockholm diesen Sommer zeigte mir, dass das Konzept dort schon funktioniert.
>> Abläufe und Logistik bei den Besuchen der Bienenstandorte optimieren (evtl. mit umweltfreundlichem e-Lastenrad).
>> ein besserer Imker werden. Es gibt noch viel zu lernen über die (und von den) Bienen.

Ich glaube an das Potential meines Projektes und daß ich es schaffen kann, nach und nach mein Einkommen durch die Imkerei zu steigern und so von dem zu leben, was ich liebe. Rückschläge wird es auch hier geben; ich werde versuchen, sie auch als Chance und Teil meines krummen, bunten Weges voller Abenteuer zu sehen. Uch ich glaube, dass man meine Liebe zu den Bienen und zum Imkern in den verschiedenen Honigen schmeckt ...

Die Bienen und das Glück

Ich fahre nach wie vor mit meinem Sohn und meiner Freundin in die Berge ... aber inzwischen spüre ich den Kontakt zur Natur auch hier - mitten in der Stadt. Ein georgisches Sprichwort sagt, wo die Bienen sind, da ist das Glück zuhause. Es ist ein gutes Gefühl, zuhause anzukommen - im eigenen Leben ... auch dank der Bienen. Träume gibt es noch viele in mir ... aber inzwischen lebe ich mindestens einen meiner Träume im Hier und Jetzt - auf meinem Weg als leidenschaftlicher Imker in der Stadt.

Bernd Kobr, Baldurstr. 19, 90461 Nürnberg | Tel. 0152 - 563 116 81 | info@stadtgold-honig.de | www.stadtgold-honig.de